Ein Stadtbild im Wandel
Dieser Bildband »Alt-Mannheim vor 100 Jahren« zeigt Photographien von Alt-Mannheimer Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die am Vorabend des Ersten Weltkriegs aufgenommen wurden. Die Originale sind im Besitz des Mannheimer Altertumsvereins von 1859, in dessen Auftrag sie in den Jahren vor 1914 angefertigt wurden. Die dokumentierten Gebäude entstammen Epochen, die schon zum Zeitpunkt der Aufnahme der »guten alten Zeit« zugerechnet wurden. Das allmähliche Verschwinden des alten Stadtbildes hatte längst begonnen und weitere schmerzliche Verluste waren zu erwarten. Altvertraute Anblicke wurden seltener. Der Aufschwung der Gründerjahre und die Expansion der Stadt hatten viele neue Möglichkeiten eröffnet. Hauserweiterungen, Umbauten, Aufstockungen, Ladeneinbauten und »Verschönerungen« der Fassaden fielen kaum je zu ihrem Vorteil aus. Manche Häuser verschwanden bald nach der Aufnahme ganz. Sie fielen der Spitzhacke zum Opfer und machten Geschäfts- und Wohnhäusern Platz, die mehr Profit abwarfen.
Die meisten der abgebildeten Photos wurden von dem Photographen Hans Graßmück auf Glasplatten gebannt. Die Inschriften auf den großformatigen Abzügen nennen fast alle seinen Namen. Der Photograph, der in der Heinrich-Lanz-Str. 9-11 wohnte, hatte ein Gespür für das überlieferte Stadtbild Mannheims. Er war Mitglied des Altertumsvereins, im Mitgliederverzeichnis erscheint ein »Johann Adam Graßmück, Photograph«. Einige Bilder stammen von dem Mannheimer Hofphotographen Hubert Lill, dem Nachfolger von Emil Bühler, der in B 5,17/18 wohnte.
Der Altertumsverein war nach eigener Aussage »besonders darauf bedacht, von allen zum Abbruch kommenden charakteristischen Bauten Alt-Mannheims photographische Aufnahmen und womöglich auch künstlerisch wertvolle Bauteile zu erhalten. Wir müssen dankbar anerkennen, daß wir hierbei von der Stadtverwaltung wie auch von mehreren Architekten und Baumeistern in ausgiebigster Weise unterstützt worden sind«. Der Verein bedankt sich immer wieder bei verschiedensten Leuten für Photographien (teilweise auch Postkarten) von historischen Gebäuden. Die Graßmück-Serie scheint aber eine Auftragsarbeit gewesen zu sein, die zumindest teilweise durch den jährlichen Zuschuss, den der Verein von der Stadt erhielt, finanziert worden ist. Die hier veröffentlichte Sammlung des Altertumsvereins ist eine unschätzbar wertvolle Dokumentation des baulichen Erbes der Stadt. Sie veranschaulicht die Schönheit kunstgeschichtlich bedeutsamer Glanzlichter, aber auch die Vielfalt der kleinbürgerlich und bäuerlich geprägten Wohnstätten, wie sie vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs noch vorherrschte. Eine lückenlose Darstellung des einstigen architektonischen Reichtums ist nicht gegeben. Für das Quadrat N 1 wurde die Sammlung des Altertumsvereins durch Photographien anderer Bestände ergänzt. Zur besseren Orientierung wurden sporadisch neuzeitliche Aufnahmen von Dr. Franz Waller eingefügt.
© Wellhöfer Verlag, Mannheim - Auszug aus der Einleitung im Buch
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