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Antiquarisches Buch
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Architektur, Kulturgeschichte und Städtebau
Mit Beiträgen von Gerold Bönnen und Ulrich Nieß
Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts trieb die Menschen scharenweise vom Land in die Städte und in die neuen Fabriken. Sehr bald wurden Unterkunft und Wohnung für die neue Schicht der Arbeiter zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem. Jahrzehntelang diskutierten Architekten, Unternehmer, Städteplaner und Verwaltung einerseits neue gesellschaftliche Utopien, andererseits den sehr praktischen Raumbedarf einer Arbeiterfamilie und deren zweckmäßigste Unterbringung. Im Schnitt befand man schließlich eine Wohnung von ca. 40 m² für angemessen – anfangs oft noch ohne Küche oder Toilette. Wichtiger war die strikte Separierung der Arbeiterfamilien in eigenen Hausteilen mit jeweils eigenen Eingängen. Nur so und mit restriktiven »Siedlungsordnungen« – meinte man – könnte man diese »rauhen Gesellen« dem bürgerlichen Verhaltenskodex anpassen und aus ihnen funktionierende Mitglieder der Gesellschaft machen: »willige Gehilfen« der Unternehmer.
Bekannt sind die großen Siedlungen für Arbeiter im Ruhrgebiet, etwa der Stahlwerke von Krupp und Thyssen. In der Rhein-Neckar-Region kennt man bestenfalls die einst beachtliche Siedlung der BASF im Hemshof in Ludwigshafen. Doch auch sie entschwindet langsam aus dem Blickfeld, denn gut die Hälfte davon ist schon vor Jahrzehnten einem Parkplatz gewichen. Ähnlich erging es manch anderer Kolonie – den einst von den Industriellen stolz präsentierten Wohltaten.
Umso mehr gilt es, diesen Zeugnissen der Industriekultur und Sozialfürsorge nachzuspüren. Viele unbekannte Sachverhalte, auch die Defizite der wilhelminischen Sozialpolitik sowohl auf staatlicher wie auf kommunaler Ebene kommen dabei zum Vorschein. Doch wichtiger sind die Ergebnisse des Werkswohnungsbaus selbst. Oft aus Pragmatismus geboren und nicht aus philanthropischer Neigung, erweisen sich die Arbeiterhäuser und die kleinen und größeren Siedlungen als ein Experimentierfeld, bei dem nur zu oft der erzieherische Aspekt und die Bindung an die Firma die wichtigen Gründe bildeten, sich als Unternehmer auf das eigentlich artfremde Gebiet des Wohnungsbaus zu wagen.
Die Palette reicht von dem einfachen Prinzip »vier Wände und ein Dach« bis zu ausgeklügelten Wohnungsgrundrissen und äußerlich als kleine Villen anmutenden Häusern. Nichts könnte diesen Unterschied besser illustrieren als die konsequent in Reihe und Glied stehenden Häuser der Hemshof-Siedlung in Ludwigshafen und die malerische Wormser Kolonie Kiautschau. Doch auch die schönsten Vorzeigegebäude boten ihren Bewohnern, meist einer sechsköpfigen Familie, weiterhin nicht mehr als zwei bis drei Zimmer.
Die Spannweite der Ideen weist weit über die Region hinaus. Sie erhielt Impulse von den englischen und französischen Entwicklungen und orientierte sich an der erstaunlich regen Diskussion von Architekten, Städtebauern und Sozialpolitikern, die sich intensiv mit der vor dem Ersten Weltkrieg kaum mehr im Zaum zu haltenden Wohnungsnot beschäftigten. Zu wirklich nachhaltigen Lösungen dieser Wohnungsfrage kam es allerdings nicht. Dennoch sind schon vor 1914 Ansätze nachvollziehbar, die sich in den 1920er Jahren entfalten konnten. Der Mannheimer Erlenhof und die Ludwigshafener Friedrich-Ebert-Siedlung sind dafür als herausragende Leistungen zu nennen.
Das Buch »Arbeitersiedlungen - Arbeiterhäuser im Rhein-Neckar-Raum« spiegelt die vielfältigen Aspekte des Themas: Kulturgeschichte, Sozial- und Wirtschaftspolitik, Unternehmensgeschichte und Sozialfürsorge nehmen darin einen gleichermaßen hohen Stellenwert ein wie Architektur und Städtebau einschließlich der Theoriediskussionen.
Text: ©
Wernersche Verlagsgesellschaft mbH, Worms - Alle Rechte vorbehalten
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